13 Februar 2007

Berichtenswertes vom 6. Stralauer Spieltag

Winter gibt noch nicht auf, Traktoristen trotzen ihm und noch viel Wichtigeres vom letzten Samstag (10.02.07)

Erst sieht man nur einen Punkt am Horizont. Er wächst, wird immer größer, verliert dann seine Form, indem er länglicher wird, bis schließlich die Silhouette eines Humanoiden zu erkennen ist. Ist es der Platzwart, der von einer wichtigen auswärtigen Mission nach Stralau zurückkehrt? Schließlich zeichnen sich erste äußere Merkmale des herannahenden Erdlings ab: rabenschwarzes Haupthaar, welches sich gegen das Ergrauen sträubt, ein austrainierter Leib, der kein Gramm Fett offenbart, ein finsterer, zu allem entschlossener Blick, eine orangegetönte Brille. O Unvergleichlicher, bist du es wirklich? Gepriesen sei dein Name, in dem sich deine tiefe Verbundenheit mit der sagenumwobenen Halbinsel widerspiegelt. Wer in diesem Moment auf die Zuschauerränge schaut, erblickt viele offene Münder, einige Traktor-Fans sind der Ohnmacht nahe, insbesondere diejenigen, die einen schwachen Kreislauf haben. Als Stanley Stralauer in die Karl-Marx-Gedächtnis-Arena einrückt, verhält er sich so, als wäre er nie weg gewesen, als hätte er nicht drei lange Wochen gefehlt, die Show überlässt er anderen, zum Beispiel den aus der Bucht aufsteigenden fliegenden Fischen, die zu seiner Begrüßung in Formation über das Stadion ziehen; in der Ferne ertönen Posaunen, ein Stralauer Spielmannszug marschiert vorbei. Zu allem Überfluss soll auch noch Fußball gespielt werden in der schockgefrosteten Arena (minus drei Grad, zwei bis drei Zentimeter Schnee auf dem Platz), und zwar mit den folgenden Startaufstellungen:

Weiß wie Milch (ohne Kakaopulver): Filippo St., Ralf F., Dirk, Moritz („The Hammer“), Mosko Phidis, Tommy (etwas später)

Bunt wie ein Flickenteppich: Florianus K., Niels T., Ralf S., Stan Stralauer et l’Admiral de la Baie de Rummelsbourg

Gegen 14 Uhr nehmen die Dinge ihren Lauf. Zunächst wird fünf gegen fünf gespielt, die Partie ist schön ausgeglichen, beide Teams haben Anpassungsprobleme mit der Schneedecke, lediglich der Strafraum der Flicken ist aus irgendeinem Grunde gefegt worden. Dann erscheint der kopfballstarke Tommy und streift sich ein weißes Shirt über, mit der Folge eines zunehmenden Übergewichts (ungefähr 80 Kilo) für die Milchigen. Den Flickschustern bleibt nichts anderes übrig, als schweißtreibende Laufarbeit zu leisten, wollen sie nicht völlig untergehen, so dass die Lunge und Niels zeitweise mit kurzärmeliger Trikotage herumrennen. Schließlich bekommen sie Unterstützung durch einen Transfer von Mosko, der nach anfänglicher Ladehemmung gewohnt sicher trifft und seine Flicken deutlich überlegen macht, also abermals keine Ausgeglichenheit. Zur Behebung des Missstands macht Stanley Stralauer zu den Milchbubis rüber, die dadurch zwar zum zweiten Mal in Überzahl spielen, aber dennoch leicht unterlegen bleiben. Er wird zusehends unruhig, schimpft wie ein Rohrspatz, hadert mit sich und seinen Milchmädchen, zu einem erneuten Eklat kommt es jedoch nicht. Eingedenk der fehlenden Spielpraxis und seines hohen Alters liefert Stralauer eine ansprechende Leistung ab; Einsatz und Laufbereitschaft stimmen, lediglich beim Abschluss hapert es gewaltig, weil er den Ball in unnachahmlicher Weise mehrmals über das Tor schaufelt, anstatt hart und flach zu schießen, wie es sein Mitspieler The Hammer mustergültig vormacht. Aber nicht nur der Rückkehrer äußert seinen Unmut; so kritisiert Ralf S. die Grätschen von Dirk scharf, wobei es sich auf rutschigem Schnee natürlich auch ganz vorzüglich grätschen lässt, dennoch: ein Verletzungsrisiko für den Gegner ist nicht von der Hand zu weisen. Es dauert nicht lange, dann steigt Filippo St., für Kenner der Stralauer Fußballszene nicht überraschend, in den Meinungsaustausch ein und übernimmt den Part des Anwalts von Dirk, indem er verdeutlicht, was für ein untadeliger, fairer Sportsmann der Dirk doch sei; niemand widerspricht, wohl weil es einfach stimmt. Die Gemüter beruhigen sich, es wird einmütig beschlossen, das Kriegsbeil wieder in die Stralauer Erde einzugraben, mindestens bis zum nächsten Samstag. Als Stan St. nach gut zwei Stunden endlich auf Betriebstemperatur ist, erklärt eine Mehrheit der Traktoristen die Begegnung für beendet (Endergebnis: ungefähr neun zu sieben für den Flickenteppich). Frustbewältigung ist angesagt. Stanley wird dabei beobachtet, wie er nach der Partie seine Einsatzprämie in eine lange Unterhose (Doppel Ripp, Größe 7) investiert, schon lange nicht hat man ihn so glücklich gesehen, er scheint bereit für den kommenden 7. Spieltag. Seien Sie es auch!

Es rapportierte S. Sturlufsson exklusiv für den Stralauer Platzwart

© Snorri Sturlufsson Productions MMVII

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1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Sehr geehrter Herr Dr. Snorri Sturlufsson,
ohne Worte - Sie sind der einzige, literarisch tief bewanderte Schäfchen-Hüter des Stralauer Halbinsel-Dichter-Olymps!
Aber müssen Sie diesem schrecklichen Maulhelden und Profilneurotiker Stanley bla-und-bla immer so viel Platz einräumen bei Ihren literarischen Höhenflügen?!?
Schreiben Sie doch mal lieber Ergoetzliches über die wahren Helden von Stralau. Das würde mein Herz noch viel mehr erfreuen und Ihnen hold stimmen!
Bitte überlegen Sie auch mal, ob Sie nicht mal einen richtigen Krimi im Stile des film noir schreiben wollen. Die Ancient-Stralau-Press, neuerdings im Jonny-Weissmueller-Pflegeheim untergekommen, würde, so wurde mir zugetragen, sämtliche Ergüsse von Ihnen in jedem Falle sofort und ohne redegierende Umschweife auf bewährte Art im Holzstempelverfahren drucken, um endlich einmal eine Meldung für das Nobel-Preis-Comittee in Grottoolm zu ergattern.
Ganz zu Ihren Diensten, Ihre wirklich heimliche Verehrerin
Kriemhild Kupferstich

2:36 PM  

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