Das Comeback eines Seefahrers
SS: Norbertonius, am vergangenen Sonnabend haben Sie nach viermonatiger Verletzungspause Ihr Comeback in der Karl-Marx-Gedächtnis-Arena gefeiert. Bitte schildern Sie uns Ihre Eindrücke.
DA: Nun ja, zunächst einmal möchte ich mich für den freundlichen Empfang durch die Traktoristinnen bedanken, das hat wirklich gut getan. Nach all den Querelen der letzten Wochen und Monate (der Admiral wurde mit Doping in Verbindung gebracht, Anm. v. SS) war ich mir da gar nicht so sicher. Ich hatte sogar den Eindruck, dass mich einige im Zweikampf besonders pfleglich behandelten, damit die Blessur ja nicht wieder aufbräche, ihnen gilt mein Dank, während andere wie gewohnt zutraten, natürlich ohne Absicht. Fußballerisch konnte logischerweise noch nicht alles perfekt laufen. Es fehlte an Spritzigkeit, Ballsicherheit, dem notwendigen Quäntchen Glück, ich denke da an meinen Pfostenschuss, und vor allem an geistiger Frische, denn Teile des Spiels habe ich überhaupt nicht mitgeschnitten, insbesondere nach Ende der ersten Partie, welche mein Team Weiß ja vier zu zehn verlor. Da lagen wir trotz ausgeglichenen Spiels bereits Null zu vier zurück, als unser Kapitän Filippo Stiasny kraft seines Amtes eine Umstellung in der Frauschaft vornahm. Er beorderte Legionär Griesdorff van der Humboldt zurück in die Abwehr und schickte Sven, der keineswegs begeistert war, die Entscheidung des Spielführers aber nicht in Frage zu stellen wagte, in die Offensivzone. Nur Minuten später stand es drei zu vier und kurz darauf vier zu fünf, der Anschluss war also wiederhergestellt. Meines Erachtens hat Stiasny dadurch seine verbale Anwartschaft auf die vakante Trainerposition Traktors nun auch in der Praxis eindrucksvoll untermauert. Daran kann selbst der haarsträubende Einbruch nach dem vier zu fünf (Endstand war vier zu zehn, Anm. v. SS) nichts ändern. Übrigens gefiel mir die hohe Intensität und Einsatzbereitschaft an diesem Spieltag, das war höchst stimulierend.
SS: In der Tat, auch ich fand die Spiele äußerst erregend, aber genug der Sexualisierungen. Gibt es denn auch Negatives von Ihrem Comeback-Tag zu berichten?
DA: Leider ja. Regelrecht entsetzt war ich, als ich aus dem Spielertunnel ging und feststellen musste, dass drei Zuschauer vor der Westtribüne nicht zu meinen Ehren aufgestanden waren. Dieses unentschuldbare Verhalten schmälerte meinen positiven Gesamteindruck, und ich fordere die honorigen Funktionärinnen der STAUFA auf, schleunigst etwas dagegen zu unternehmen.
SS: Aber Admiral, die drei Personen saßen doch in Rollstühlen!
DA: Ähm ... wirklich? Das ist mir aber sehr unangenehm. Um die Drei für meine vollkommen unberechtigte Kritik zu entschädigen, werde ich sie zu einer vierstündigen Kreuzfahrt durch die Rummelsburger Bucht auf der MS Stralau einladen.
SS: Zeugen wollen beobachtet haben, wie Sie vor der ersten Partie eine Substanz zu sich genommen haben. Worum hat es sich dabei gehandelt?
DA: Da muss ich Sie enttäuschen, Sturlufsson. Das Mittelchen steht nämlich nicht auf der Dopingliste der STAUFA, eignet sich somit nicht als Skandalthema. Es handelt sich um ein Geriatrikum, ein reines Naturprodukt, aus Cola, Bonbons und Rettich gewonnen, welches für zirka drei Stunden Altersbeschwerden wie Seh- und Hörschwäche, Rheuma sowie Impotenz unterdrücken soll. Weil ich selbst nach Einnahme des Medikaments den jüngeren Spielerinnen körperlich immer noch unterlegen bin, wird es nicht als Dopingmittel geführt. Ohne das Geriatrikum wäre ich überhaupt nicht wettbewerbsfähig. Das war schon eine freche Frage, Sturlufsson. Was mich interessieren würde, wo waren Sie als Isländer eigentlich in den letzten Wochen und Monaten? Auf einem Walfangschiff?
SS: Jetzt haben Sie es mir aber zurückgegeben, Genosse Admiral, wohlwissend, wie verpönt die Waljagd auf Stralau ist. Zu meiner Entlastung weiß ich von einem Aufenthalt auf den Westmännerinseln zu berichten, wo ich bei der Bergung eines Wikingerschatzes tatkräftig mithalf.
DA: Ihr Wort im Ohr des Stralauer Platzwartes, Gevatter Sturlufsson!
SS: Admiral, in unserem Vorgespräch erwähnten Sie ein besonderes Erlebnis am vergangenen Dienstagabend. Wollen Sie uns davon erzählen?
DA: Das will ich gern tun. Ich war an dem besagten Tag kurz vor Ladenschluss in einem Supermarkt außerhalb Stralaus und packte gerade die gekauften Artikel in meinen Seesack ein, als eine lärmende Gruppe junger Menschen in das Geschäft stürmte. Vor Schreck fiel mir fast ein Ei aus der Hose, und ich stand mal wieder kurz vor einem Herzanfall, dachte ich doch an einen Raubüberfall verwahrloster Jugendlicher mit anschließender Geiselnahme. Wie sich dann herausstellte, waren es ungefähr 20 bis 25 Kinder im Alter von vielleicht fünf bis acht Jahren, allesamt als Horrorgestalten verkleidet und maskiert. Verdammt, den Kinderkrawalltag hatte ich ja ganz vergessen. Lauthals und kompromisslos krakeelten sie ihre Forderung „Süßes oder Saures!“ und eine verschreckte Mitarbeiterin kam dieser angesichts der deutlichen Überzahl der zu kurz geratenen Randalierer nach, indem sie Süßware aus einem Nebenraum holte, deren Haltbarkeitsdatum vermutlich längst abgelaufen war. Da die Infantilen in dem Augenblick abgelenkt waren, begab ich mich verstohlen in Richtung Ausgang. Plötzlich kam ich nicht mehr recht voran, und als ich mich umsah, konnte ich drei der Plagegeister ausmachen, die an meinem Rockzipfel hingen und „Süßes oder Saures!“ skandierten. Ich antwortete trotzig „Saures“, aber das machte sie nur noch wütender. In meiner Not sagte ich ihnen, ich hätte den Bluthund des Platzwartes in der Nähe geparkt und er würde auf mein Signal herbeieilen, was natürlich gelogen war. Dank einer glücklichen Fügung hatten die kleinen Terroristen allem Anschein nach von der Existenz der Bestie gehört, denn sie ließen von mir ab und rannten mich noch anrempelnd aus dem Supermarché. So kam ich mit dem Schrecken davon.
SS: Admiral, ich danke Ihnen für das Gespräch.
DA: Ich danke Ihnen auch – wofür auch immer.
1 Comments:
Ja sehr geehrte Herren Admiralius G. I. N. Pagellantopoulos C. und natürlich Genosse Sturlufsson, Gast-Korrespondent, hauptberuflich aber Schafetreiber und Chef-Archaeologe auf Island, tropensturmufleuchte Insel im Atalantiquo,
was haben die Herren nicht wieder für einen blühenden Sinn für staubtrockenen, daher im höchsten Maße, auch nach mehreren genossenen Humpen Stralauer Hofbräus objektivierbaren Realismus bewiesen & auf diese doch so dünnlich mythenbepflanzte, ja müde Blog-Site gezaubert, die leider keine Menschenseele kommentiert, außer latürnich die üblichen Verdächtigen. Die Menschheit stolpert demzufolge unaufhaltsam auf den Zustand der totalen Legasthenie zu, allein schon aus Gründen des Trainingboykotts...
Ach, die Welt ist eben ein langes, endlos zu durchwanderndes Jammertal,
gez. ein müder deppressiver
Eremit gleich links hinter dem Ostkreuz-Wasserkopfturm, wohnhaft unter der nimmermüde renovierten S-Bahn-Brücke am Gleis 13b des Rost-Kreutzes,
ade, schnöde Welt,
mal sehen, ob ich morgen durchgefroren auf Stralau über den heiligen Kunstrasen stolpere.
Habe nun fertig und verlustiere mich demzufolge zwecks Aufwärme-Aktivitäten zu einem langen Stralauer Voll-des-Mondes-Dauerlauf zum Kohlenklau auf einem der polnischen Kohlenschleppkähne, die gegenwärtig auf der Nord-Ost-Seite der famosen Halbinsel anliegen (brandheisser Geheimtipp).
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