08 Juni 2006

Zeugnis eines überraschend intensiven 11. Spieltages

Dabei waren die Vorzeichen erneut alles andere als erbaulich: Der Himmel öffnete wie gewohnt seine Schleusen, wetterfeste Spieler waren schwer aufzutreiben und die Chico-Marx-Arena wegen der Zumutungen der letzten Wochen nur halb gefüllt. Als erste trafen zwei Mitglieder des ÄltestInnenrates ein, die sich ihrer Vorbildfunktion bewusst waren, und der apokalyptischen Witterung trotzten. Dann kam lange Zeit niemand, und die Geronten konnten zu diesem Zeitpunkt nicht einmal erahnen, dass sie 180 Minuten auf dem Platz verbringen würden. Schließlich erschien Ralf mit Ziehsohn Schmersahl, an seiner Seite die beiden U10-Junioren Aran und Etienne, und kurz darauf der gewohnt zuverlässige von Giersdorff zu Humboldt zu Rio. Zählen wir mal kurz zusammen: Zwei Älteste, ein Erziehungsberechtigter mit zwei Kindern plus ein Brasilien-Legionär, macht zusammen nach Adam Riese sechs Spieler. Na prima, ein Spiel drei gegen drei auf einem kleinen Feld konnte endlich beginnen. Gesagt, getan. Da ohne feste Torhüter gespielt wurde, wurden die Akteure läuferisch enorm gefordert, einige schöne Spielzüge und viele Tore sprangen dabei heraus, wobei Pagellantopoulos sein erstes Kopfballtor für Traktor Stralau erzielen konnte nach maßgeschneiderter Linksflanke von Routinier Schmauderinho. Es ist zu befürchten, dass ’Topoulos für unabsehbare Zeit von diesem Erfolgserlebnis schwärmen wird, es sei denn, er erzielt sehr bald ein zweites Schädeltor, wodurch ein Gewöhnungseffekt eintreten könnte. Der Stralauer Fußballverband STAUFA bittet die Traktoristen daher inständig, dem nervigen Akteur am kommenden Spieltag präzise Flanken auf den Kopf zu schlagen. Überraschenderweise trafen nach 17 Uhr Ralf ohne Sohn Forster und Tommy LQ Sverige in der Marx-Arena ein, was wohl auf Kommunikationsprobleme in Bezug auf die neue Anstoßzeit (15 Uhr) zurückzuführen war, und die beiden Geronten sowie von Giersdorff zu Wrangel mussten nicht lange überlegen und hängten noch eine weitere Stunde dran, während sich Schmersahl und die Kinder zwecks Samstagabendgestaltung schließlich verabschiedeten. Zu fünft sah man sich wieder gezwungen, das so ungeliebte Spiel auf ein Tor zu praktizieren. Es war noch nicht sehr alt, als ein Traktorist, dessen Name aus juristischen Gründen in kompromittierenden Zusammenhängen nicht mehr genannt werden darf, der aber dafür bekannt ist, etwas gegen den Strich gebürstet zu sein, und außerdem eine orangegetönte optische Vorrichtung auf der Nase trägt, die sicherlich einst ein Vermögen gekostet hat, für einen Eklat sorgte. Der Besagte klagte über die Unerträglichkeit seiner regennassen langen Trainingshose und krempelte diese zunächst bis über die Knie hoch, eine Maßnahme, die wohl nicht ausreichend Abhilfe verschaffte, denn wenig später streifte er seine Beinkleider in bester Chippendale-Manier ab und lief, sich entschuldigend, in einem Unterhösle über den Platz. In einer Ehrenloge sah man nun Traktor-Repräsentanten die Hände über den Kopf zusammenschlagen, zumal sie direkt neben dem Chef der Stralauer Hofbrauerei saßen, dem Großsponsor des Clubs, während die Damenwelt auf den Rängen sichtlich angetan war, denn der Lendenschurz des Spielers war aus feinstem Zwirn gefertigt und mit Biberfellapplikationen besetzt. Ja, die Wiederansiedlung der fleißigen Nager in der Rummelsburger Bucht scheint sich bereits bezahlt zu machen. Allerdings soll mit der Ansiedlung von Bären auf Stralau wegen des derzeitigen Tamtams um den austrianisch-bajuwarischen Braunbären noch gewartet werden, bis sich der Sturm wieder gelegt hat. Nach der Partie, die aufgrund schwerer Beine beendet worden war, fand ein Stralauer Archäologe eine alte Muschel in unmittelbarer Nähe zur Chico-Marx-Arena, seines Erachtens ein klarer Beweis dafür, dass die Halbinsel einst Meeresgrund war. Das kostbare Fundstück wurde umgehend in das Stralauer Naturkundemuseum verbracht. Ach übrigens, die STAUFA will das Spieltagwetter nicht länger den Geschicken des Himmels überlassen, sondern ab dem kommenden Samstag mit dem umgebauten roten Wasserflugzeug, das im Sommer häufig auf der Spree zwischen Stralau und dem Treptower Park startet und landet, gegen die beharrlichen Regenwolken zu Felde ziehen, indem diese durch Chemikalien aufgelöst werden; einziger Nebeneffekt: Der Himmel wird sich blassgrün verfärben. Um die Wolkenauflösung noch zu verstärken, soll ein Stralauer Kinderchor unter der Leitung von Pfarrer Theo Schlupfhahn George Harrisons Here comes the Sun intonieren. Die Wahrscheinlichkeit des besten Spieltagwetters seit Wochen und Monaten steigt damit ins Unermessliche. Spieler und Fans sollten sich das nicht entgehen lassen und pünktlich zu 15 Uhr in großer Zahl erscheinen. Auch in anderer Sache war die STAUFA aktiv, hat sie doch dem Konkurrenzverband FAFI vorgeschlagen, beim morgen beginnenden mondialen Championat anstelle der Nationalhymnen die Internationale zu spielen, denn das sei viel völkerverbindender. FAFI-Chef Depp „And the winner is . . . Deutschland” Bladder will eine Nacht drüber schlafen, gab aber zu bedenken, dass Sponsoren abspringen könnten. In dieser Woche ist bekannt geworden, dass sich die Bundesministerin für die Verbreitung unheilbarer Krankheiten, Trulla Fitt, zu den Ernährungsgewohnheiten der Stralauer geäußert hat. „Sieben Mal in der Woche Fisch, das kann nicht gesund sein, auch wenn der Fisch aus der Rummelsburger Bucht Güteklasse A ist. Denken Sie doch nur an Mangelerscheinungen und Omega-3-Fettsäure-Schocks“, warnte die Rheinländerin. Fitt schlug außerdem eine Brücke von der einseitigen Ernährung zu den zunehmenden Separationsbestrebungen der Halbinsulaner, was von der provisorischen Stralauer Regierung in aller Entschiedenheit zurückgewiesen wurde. „Wir weisen das in aller Entschiedenheit zurück“, so ein Sprecher. Ungeachtet der ministeriellen Warnungen wurde vom Stralauer Fischerei-Kommissar, Knud Hansen, die diesjährige Matjessaison für eröffnet erklärt. Nach dem langen Winter habe der Rummelsburger Hering nun genügend Fett angesetzt, um sich auf den Mittagstischen der Stralauer präsentieren zu können.

Ersonnen und verfasst von Snorri Sturlufsson, einem Adlatus des Stralauer Platzwartes, der heilfroh ist, einen Schafbock sein Eigen zu nennen, den Gruud, der ihm im Moment zusätzliche Einnahmen beschert, mit denen die Verluste aus der Dezimierung seiner Herde aufgefangen werden können. An der Nutztierbörse in Hafnarfjörour werden die flinken Keimzellen des Bocks derzeit zu Höchstpreisen gehandelt.

3 Comments:

Anonymous Anonym said...

Sehr geehrter Herr Snurlufsson,

vielen Dank für die Bereitstellung Ihres ungeheuer famosen Beitrags zum 11. Spieltag, den ich persönlich nicht in ganz so güldener Erinnerung habe. Wie Sie sich immer so gewählt ausdrücken können. Ach, da merke ich schon als Non-Native-Speaker, dass mir da ein gerüttelt Maß an veritablem Sprachgefühl abgeht. Aber sagen Sie, wenn ich es mir recht überlege, sind Sie ja vermutlich auch keine Allemannia-Aboriginal-Geburt gewesen? Ja, sind Sie denn gleich ein Genie? Wenn Ihre deutsche Ausdrücksweise schon so eloquent ist, wie verstehen Sie dann erst die isländische Zunge zu schwingen?!?
In tiefer Bewunderung verharrend –
eine unerkannt bleiben wollende Verehrerin

5:24 PM  
Blogger Kongo-Otto said...

Herzlich lachend grüßt

Kongo-Otto!

Die von der STAUFA eingeleiteten Maßnahmen zurBesserung des Wetters scheinen ja tatsächlich gefruchtet zu haben.
(Auch wenn den anwesenden geologisch-geographisch vorgebildeten Fachleuten über die Meeresgrund-Theorie die Haare zu Berge stehen...)

8:31 PM  
Anonymous Anonym said...

P.S.: Bei Kongo-Otto übrigens bereits seit gestern Abend der Spielbericht vom neuesten Schlagabtausch...

10:35 AM  

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