Supplement zum 6. Spieltag
Heute, fünf Tage nach dem letzten Spieltag, wo sich der Rauch über dem Kunstrasen-Schlachtfeld der KMG-Arena längst gelegt hat, ist es an der Zeit, einige bemerkenswerte Begebenheiten Revue passieren zu lassen oder, wie das unvergessene Kopfballungeheuer Horst Hrubesch es formulieren würde, Paroli laufen zu lassen. Ein unbestrittenes Highlight waren erneut die sehens- und hörenswerten Verbalscharmützel, ausgetragen zwischen den Herrschaften Schmauderinho und Filippo Stiasny. Vorauszuschicken ist, dass ersterer mit einem signifikanten Energieüberschuss in das Spiel gegangen war, der sich in viel Ehrgeiz und Biss auf dem Platz niederschlug, und mutmaßlich auf die Versorgung mit äußerst nahrhafter schwäbischer Aufbaukost – bestehend aus Filderkraut, Linsen, handgeschälter Spätzle, selbstgefangenen Flusskrebsen und ähnlichen Zutaten – während eines österlichen Heimataufenthaltes zurückzuführen ist. Aber all das war Filippowitsch natürlich herzlich egal. Egal war ihm sicherlich auch, dass Schmauderinho eine serbo-afghanische Urgroßmutter hatte, die vor geraumer Zeit in der Region Kandahar einen paschtunischen Stamm befehligte, wodurch dem Routinier ein Temperament vererbt wurde, das jenes eines Durchschnittsteutonen bei weitem übertrifft. Es begab sich also, dass der Ball von Schmaus Mannschaft ins Seitenaus befördert wurde, wodurch Fils Team folgerichtig einen Einwurf zugesprochen bekam. Problem: Das Spielgerät hatte sich, offenbar durch einen zu festen Fußtritt beleidigt, recht weit ins Seitenaus zurückgezogen, so dass man es erst bergen musste, um die Partie fortzusetzen zu können. Wohl jeder im Stadion dachte, dass Fili, der in unmittelbarer Nähe der Seitenlinie verweilte, den Ball für seine Mannschaft holen würde, doch dem war nicht so. Stattdessen zog es der Stammverteidiger vor, mit diesem oder jenem Mit- bzw. Gegenspieler ein Schwätzchen zu halten, wie es eben so seine Art ist. Als Schmau dies sah, kochte er vor Wut; seine Adern an Schläfen und Hals traten furchterregend daumendick hervor, und unter lautem Fluchen lief er los und holte das Leder für die gegnerische Equipe. Wer jetzt glaubte, dass Fil für den Rest des Spieles gewarnt gewesen wäre und Schmaus angegriffenes Nervenköstum von da an geschont hätte, sah sich getäuscht. Unablässig gab er bei diversen Gelegenheiten, begünstigt durch seine überdurchschnittliche Meinungs- und Lautstärke, Kommentare zu Spielsituationen ab, bis es Schmauderinho nicht mehr gelang, den Korken in der heftig geschüttelten Schaumweinflasche zu halten, und er Filippo mit einem deutlich vernehmbaren „Sei doch bitte still!“ zurechtwies. Der so Angefahrene war sichtlich überrascht, konnte die Verbindung zwischen der Standpauke und seiner selbst aber nicht erkennen und hatte den Zwischenfall bereits nach ca. zwei Sekunden wieder abgehakt. So ist mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit davon auszugehen, dass sich Stiasnyyii durch diesen Vorfall in keinster Weise beirren lässt, und die Auseinandersetzungen mit seinem Kontrahenten Schmau zum Vergnügen des Stralauer Publikums ihre Fortsetzung finden werden. Leider ist der Wortführer am 7. Spieltag wegen seiner fünften gelben Karte gesperrt. Und Sie ahnen sicherlich bereits, dass er diese wegen nicht tolerierbaren Einredens auf den Unparteiischen bekam.
Dieser Beitrag wurde von Snorri Sturlufsson aus Reykjavik/Island (in Vertretung für NP) für das Zentralpropagandaorgan des Stralauer Platzwartes verfasst. Snorri hat sich bereits mit jahrelanger Berichterstattung über die sich im Aufwind befindliche isländische Fußballliga einen Namen gemacht und wird dort wie ein Volksheld verehrt. Der Platzwart gedenkt, ihn alternierend zu NP als Gastkolumnist einzusetzen.
Dieser Beitrag wurde von Snorri Sturlufsson aus Reykjavik/Island (in Vertretung für NP) für das Zentralpropagandaorgan des Stralauer Platzwartes verfasst. Snorri hat sich bereits mit jahrelanger Berichterstattung über die sich im Aufwind befindliche isländische Fußballliga einen Namen gemacht und wird dort wie ein Volksheld verehrt. Der Platzwart gedenkt, ihn alternierend zu NP als Gastkolumnist einzusetzen.
4 Comments:
Chapeau, Snorri Sturlufsson, für ihren Debut-Beitrag! Sie schaffen es auf Anhieb sogar beinahe, unseren verehrten "NP" vergessen zu lassen. Auch wenn gewisse Einflüsse von ihm auf Sie sicher nicht zu leugnen ist. Diese literarische Brillianz...
In der Tat, eine denkwürdige Begebenheit, die den ein oder anderen im Stralauer Publikum tatsächlich zu unterhalten verstand.
Es grüßt herzlich
Kongo-Otto
... nicht zu leugnen SIND, muss es natürlich heißen...
Sehr geehrtes Autoren-Ich dieses wortgewaltigen Beitrages,
nun, wie soll ich es sagen, warum treten Sie mit Ihrer literarischen Ader nicht vollends in's gleißende Licht der Öffentlichkeit? Die windige Hauptstadtpresse zumal oder ggf. auch die Hannoversche Allgemeine würde sich für Sie als sportiven Hauptstadt-Korrespondenten alle Finger schlecken, da bin ich mir als ReporterInnen-Kollegin 100-%-ig sicher. Halten Sie nicht mit Ihren Talenten hinter dem Berg, eine derart in allen rhetorischen Farben schillernde Edelfeder, meine Wenigkeit kann Ihre Fähigkeiten, was glauben Sie, mit beinahe blinder Intuition sofort einschätzen. Schließlich bin ich als Bürgerin der Vereinigten Staaten bilingual aufgewachsen (meine Oma war die erste einheimische Germanistik-Professorin in Yale), besitze zudem einen deutschsprechenden Ur-Großvater,der 1848 mit Herwegh, Hecker, Schurz und Co. auf die Badischen Barrikaden gegangen ist und bin außerdem als promovierte Philologin geradezu ausersehen, noch im Verborgenen ruhende rhetorische Rohdiamanten an's Tageslicht zu befördern. Bewerben Sie sich zumindest als Reporter für das sog. Mondiale Championat, von mir aus auch nur bei den hiesigen Journaillen, dann wird Stralau zwar einen seiner besten MittelfeldregisseurInnen so manchen Spieltag im Sommer entbehren müssen, es soll Ihr Fehler aber nicht gewesen sein!
Herzliche Grüße und nur Mut sendet
Dr. phil. Ph. D. Lolita Lane
(US-Sportkorrespondentin auf Stralau, i. A. d. St. Platzwartes)
Vielen Dank für Ihre Komplimente und den warmherzigen Empfang beim Stralauer Platzwart, den Sie mir damit bereitet haben. Angesichts so viel Lobes muss ich aufpassen, nicht abzuheben, aber als Nachkomme eines Wikingers verfüge ich natürlich über ein gerüttelt Maß an Bodenhaftung.
Beste Wünsche übermittelt Ihnen Snorri Sturlufsson
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