07 April 2006

Aus unserer beliebten Reihe: Granteln auf Stralau, Vol. II


Nachtreport des Schweizerischen Korrespondenten Ruefli Waddewiggler

"Auf einem meiner nächtlichen Pirschgänge über den Kneipen- und Bierschenken-Boulevard der Halbinsel, gemeint ist die berüchtigte Tunnelstraße (hat auch schon den richtigen Namen fur arg mitgenommene Spätheimkehrer), fand ich gestern in der "Schnellen Quelle" - einer der zwielichtigsten Kaschemmen in der eh nicht an halbseidenen Glanzlichtern armen Gastronomieszene Stralaus - den doch schon stark angetrunkenen Herrn Schmauder vor. Sie fragen sich vielleicht jetzt, werte(r) LeserIn, warum ich, Ruefli Waddewiggler, als ehrbarer Schweizer Bürger mich in so obskuren nachtschweren Ecken der Inselkneiperie verlustiere, ich kann ihnen nur sagen, ja, ich gestehe, ich habe die Nase voll von den blankgewienerten Straßen Alt-Basels, auf dessen Asphalt zwischen den Bimmelibahnen-Schienen mensch jederzeit sein Fruhstückscroissant eintunken könnte. Da fließen nur frischgebrühter Schümli-Caffee mit Schokoladenraspeln und herzhafte Ströme aus der Alpenmilch glücklicher Kuhe lang. Ich will Stralauer werden (oder mich zumindest im kargen Umland von Neukölln, Kreutzberli(chi)ngen, Treptowern oder Fr'hain nach einem Grundstück umsehen), mich auf Dauer häuslich niederlassen, wenn auch nicht gerade an den Gestaden der Tunnelstraße, eine mannbare, wenn auch nicht allzu junge und unerfahrene Stralauerin kennenlernen und mit ihr unzählige helveto-preußische Kindlein zeugen (was für ein Vorsatz in diesem durch und durch maroden Großen Kanton). Vorher darf es natürlich schon sein sollen können, dass ich freilich einen Posten bei der Redaktion des hiesigen Inselboten oder gar beim Neuen Stralau aufreiße, um all das in's Werk setzen zu können, aber ich schweife ab. Wo war ich ..., nun, der volltrunkene Herr Schmauder. Der klammerte sich mühsam am Tresen fest, roch wie ein Hektoliterfass Fehlcharge des hierzulande schrecklich beleumundeten Stuttgarter Hofbräus und lallte etwas wie: "Grüß Gott, Herr Landsmann, wollen sie mir vielleicht, wo sie gerade anwesend sind, die nächste Runde spendieren?!? Ich habe einen schrecklichen Durst, und Sie wissen ja, wer heut' nedt g'spian hot, dös kann kein Guter sein ...". Da ich kürzlich wieder ein Schweizer CARE-Paket mit einigen hundert Fränklis aus der Heimat drin erhalten hatte, zeigte ich mich loyal-spendabel und lud den schon zu Monatsbeginn wieder sichtlich blanken Herrn Schmauder auf die nächsten drei Maßkrüge schäumenden Stralauer Gerstensaftes ein [die Halbinselbrauer sind ja nicht erst seit der Jahrhundertwende wirklich berühmt fur ihre Erzeugnisse, im übrigen herrschte noch vor wenigen Decennien eine fabelhafte Ausgehkultur auf diesem famosen Fleckchen Halbinselerde, doch davon ein ander Mal mehr, Anm. d. UebersaezzerIn]. Nach einigen gierigen Zügen aus dem Maßseiderl, die der völlig ausgetrocknet zu sein scheinende Mitspieler von Traktor Stralau in seinen unersättlichen Schlund hinabgoss, des Krügerls Füllpegel sank dabei sichtlich in's Bodenlose, schien er mir wieder ansprechbar. "Nun, sagen Sie mal, wo drückt denn der Schuh so gewaltig, dass ich Sie hier in so einem desolaten Zustand vorfinden muss?", raunze ich in meinem langgezogenen Idiom den Herrn besorgt an. "Ach, weiß gar nicht, wie ihnen das auf die Schnelle erklären, ich soll jetzt plötzlich von Amts wegen TorhüterIn werden, und das auch noch als HerausfordererIn eines Prachtskeepers, die Presse des (feindlichen) Umlandes brüstet sich, ein neues Skandalthema aufgetan zu haben, ich, als der mit weitem Abstand erbärmlichst das senkrechte Geviert freihaltende Torewächter dieses Jahrtausends soll in Konkurenz zu dem titanischen Kuttner treten beim Ringen um den WeltmeisterInnenpokal, den Brasilien doch eh an Traktor Stralau abtreten werden muss, haben die doch bei einem Heimspiel am 17. Juni hier im vollbesetzten Karl-Marx-Gedächtniskunstrasen-Stadion nicht den Hauch einer Chance gegen die ausgebufften Kicker von Traktor Stralau, zumal die Brasilianer konditionell noch nicht mal das Ende der ersten Halbzeit erleben werden dürften, bevor sie da in die Rummelsburger Bucht springen müssen aus Erschöpfung, zumal bei der Hitze, die ja für Mitte Juni angekündigt wird von den Metereologen von http://www.met.fu-berlin.de. Wir können nur hoffen, dass bis dahin die Wasser der Bucht nicht ausgetrocknet sein mögen. Der Trainerstab des brasilianischen Schönwetterfußballs sollte sich diesbezüglich schon mal mit dem Experten auf diesem Gebiet, Admiral zur Rummelsburger See, Norbertonius Pagellantopoulos, in Verbindung setzen, und notfalls frisches Wasser aus den Tagebauseen in der Nieder- und Oberlausitz die Spree raufpumpen lassen. Jedenfalls der titanische Kuttner und ich in einer künstlich von der Presse aufgeblasenen, herbeigeredeten Skandalgeschichte um das hegemonielle Ringen in der TorhüterInnenfrage, das ist eine Katastrophe, zumal ich als bekennende(r) AnwärterIn auf die Position der MittelstürmerIn, die nur noch den Klosiensis, den Thies Dr. History Schulze, den Frank [eh' im] (Ab-)Seitz und den Moskophidis-Stephan verdrängen muss, doch beste Chancen habe, bei der WeltmeisterInnenschaft mit der Nummer 11 aufzulaufen, ausgerechnet ich soll da in diesem ominösen Kasten versauern müssen?!? Eine Katastrophe!" Sagt's, trinkt mithilfe eines letzten exorbitanten Schlucks noch das zweite Maßkrügerl leer und knallt mit dem eh schon notdürftig bandagierten Kopfe auf die Kante des Tresens. Oweih, er hat schon halluziniert, hoffentlich muss er nicht in's Krankenhaus, dann kann er am Ende sonnabendsnachmittags beim Jubiläumsspiel gar nicht dabei sein und weder im Tor herumstehen noch das Feld beharken, wenn das nicht in einer depressiven Verstimmung endet. Was soll ich ihnen sagen? Anstatt dass ich mich auf pirschende Brautschau an eine der vielen hier verkehrenden gebürtigen, nicht mehr allzu jungen und unerfahrenen Maiden von Stralau heranmachen konnte, blieb mir nichts anderes übrig als den armen alkoholvergifteten Herrn Schmauder in seine ferne Heimstatt in Fr'hain gleich hinter dem Ostkreuzturm zu schleppen, fragen Sie nicht, auch noch die vier Stiegen zu seiner Hinterhofdachmagisterklause hoch, ich habe heute früh entschieden mehr als deftige Kreuzschmerzen davon. Dabei muss ich doch am Sonnabendnachmittag für die ausführliche Berichterstattung zu dem wunderbaren Jubiläums-Spiel auf Stralau auch wieder fit sein. Als ich schließlich zur "Schnellen Quelle" zurückhumpelte, hatten sich die frischen, nicht mehr ganz so jungen StralauerInnen, v. a. aber möchten sie bitte schön nicht so schrecklich unerfahren sein, alle schon wieder in ihre Fischerhütten verkrochen gehabt und mir blieb nichts anders übrig, als noch einen letzten Doppel-Trunk des soeben im Angebot befindlichen Stralauer Hofbräus zu mir zu nehmen und anschließend diesen haarsträubenden Bericht in die Adler 26Zi zu tippen, was mir die schrecklich und unverantwortlich reißerische Berichterstattung in den sportjournalistischen Redaktionen der windigen Hauptstadtpresse wieder eingebrockt hat. Wäre ich doch nur in meinem gemütlichen stadt-baslerischen Kanton geblieben, da ist zwar nicht viel los, man wird aber auch nicht dauernd in Sachen reingezogen, die einen wirlich eigentlich gar nichts angehen, schon gar nicht als Nicht-FußballerIn!"
In Auszügen zitiert nach Der standhafte Torpfosten , autorisiertes Internationales Presse-Propaganda-Organ des Stralauer Platzwartes, seiner Behilfsdiensteten, des AeltestInnenrathes (...) sowie des OrganisatorInnen-Wohlfahrts-Komitees xBerg-Fr'hain (Jg.101), v. 7.4.1906, Nr. 3, S. 5 (wie Sie wohl ahnen, erscheint das Blatt aus Gründen des globalisierten Druckes in Basel, CH; daher rührt die beachtenswerte, signifikant vom Duden-Standard abweichende Orthographie & Interpunktion. Selbstverständlich bitten wir unsere LeserInnen hiermit in aller Form um Verständnis).

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Geh, hold me tight
bis dass der Wecker leit'...

Goldener Literatur-Bär für Ruefli Waddewiggler!!!

12:53 AM  

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