28 März 2006

Aus unserer Kolumne: Sport-Retrospektiven unter der Woche

Phantom-Tore auf Stralau!
Verdacht auf Wettskandal und Spielmanipulation noch immer nicht ausgeräumt.

Soben rauschte folgendes Interview aus unserem News-Ticker, das die Neuköllner Neueste Nachrichten in der Montagnacht mit dem Fr'hainer Mittelfeldmotor Norbertonius Pagellantopoulos geführt hatten. Abend-Ausgabe der NNN vom 27.03.2006, S. 14 (Ressort: "Das Interview zum Wochenbeginn"). Wir berichten auszugsweise.
"Nö, nö, so kann das nicht gewesen sein."
Norbertonius Pagellantopoulos über die erschreckende Anzahl von erzielten Phantomtoren dieses Wochenende auf Stralau.

NNN: Herr Pagellantopoulos, können Sie sich denken, weswegen wir Sie in Ihrer Stammbeitz auf vier halbe Liter Ovomaltine einladen?

NP: Nein, eigentlich nicht - ehrlich gesagt; aber Sie werden mich sicher gleich aufklären.

NNN: Richtig. Ihrem Team, der Elf Weiss, wurde am Samstag beim Stande von 16:17 gegen Team Bunt ein Treffer als Gegentor angerechnet, das gar nicht gefallen war.

NP: Mir ist die Szene konkret jetzt gar nicht so deutlich im Bewusstsein. Es gab dichte Nebelschwaden über dem Kunstrasen der Halbinsel-Stralau-Karl-Marx-Gedachtnis-Arena, die Anzeigetafel hängt ziemlich weit weg, da das Stadion recht geräumig ist, ausserdem war diese zwischenzeitlich mehrmals ausgefallen, weil es zu diesem Zeitpunkt Hunde, Katzen und anderes Viehzeug über der international beliebten Halbinsel im Spreestrom geregnet hat. Es stand 12:14 fur Team Bunt, da hat Herr Moskophidis den Anschluss-Treffer erzielt zum 13:14. Daraufhin proklamierte der Behilfsdienstete des Schiedsrichter-Ausschusses als offiziell sanktioniertes Exekutiv-Organ im Auftrag des Stralauer Platzwartes sowie Ältestenrathes auf einmal, es stünde 12:15. Da hagelte es natürlich Proteste. Anstatt den Spielstand dann auf 13:14 zu korrigieren, hat diese sogenannte überparteiische Instanz dann auf 13:15 verschlimmbessert.

NNN: Was ging in diesen Momenten der historischen Spielergebnisverfälschung in Ihnen vor?

NP: Mir kam das gleich spanisch vor. Tumultartige Rudelbildungen formierten sich im nebelverhangenen Regen. Es gab natürlich auch eine längere Spielunterbrechung wegen der lebhaften Diskussion. Der oben schon mit seinem vollen Amtsnamen zitierte Behilfsdienstete hat dann mit triefender Nase genuschelt. "Noi, noi, sell stimmt scho, mir hennd unsere fifftsehn Door uff ärhewärdde Weis' zamma-g'schossa" - mensch fragt sich dann natürlich, wie die 15 ehrenwerten Striche fur Team Bunt auf seinen Hosentaschenzettel kamen.

NNN: Die SpielerInnen Ihrer Equipe konnten diese suspekte Amtsperson nicht von der Wahrheit überzeugen?

NP: Kurz danach ertönte eine Durchsage des Stralauer Platzwartes: Korrekter momentarer Spielstand nicht 13:15, sondern 14:15 gegen Elf Weiss. Der von allen als Autoritätsperson anerkannte Platzwart hat also von aussen offiziell die Wahrheit gekündet, weil sämtliche SpielerInnen der Elf Weiss und auch einige von Team Bunt der Auffassung waren: Richtig ist natürlich 14:15. Daraufhin hat der in diesem Moment ja schon beinahe als Amokläufer zu bezeichnende offizöse Behilfsdienstete des vorzüglichen Platzwartes kurioserweise diesem höchstselbst - der ja quasi auch als Guter Geist uber der vorzüglichen Halbinsel-Stralau-Karl-Marx-Gedachtnis-Arena schwebt, einfach die Gelbe Karte gezeigt.

NNN: Ist Ihnen in Ihrem langen FussballerInenleben je schon etwas Vergleichbares vorgekommen?

NP: Ich war natürlich innerlich ziemlich derangiert, und ich wusste nicht wirklich, was oder wer in diese verquaste Amtsperson eingefahren ist. Es gibt ja Gelbe Karten für Zuschauer, Sportjournalistinnen, überfliegende bekannte und unbekannte Schweb-Objekte (die mitunter auf einzelne Spieler mit Faecies oder gar hochauflosenden TV-Kameras zielen), ja sogar SpielerInnen, wenn die ganz übertrieben rummeckern. Jedoch habe ich nie davon gehört, dass dem Guten Geist, der über der ganzen Veranstaltung schwebend steht, der in diesem Moment des dokumentaristischen Versagens auch noch vollig unbeteiligt ist, eine Gelbe Karte für die Verbalisierung der Wahrheit erteilt wird, ein solches Ereignis entzieht sich jeder vernünftigen, logisch verifizierbaren Erklarbarkeit.

NNN: Warum haben Sie nicht weiter Ihren Protest vorgetragen?

NP: Der Sportliche Leiter von Elf Weiss, Dr. Ralf ohne-Sohn Forster, ist kurz nach den Tumulten nochmal zu diesem obskuren Behilfsdiensteten usw. usf. gegangen. Der hatte sich dann wohl auch mit dem Techniker an der Anzeigetafel und den KollegInnen von Zapp 1 (ein Team aus dem Umkreis der Ubertragungswagenkolonnen) kurzgeschlossen, die für die Öffentlichkeit die Aufzeichnungen der erzielten Treffer machen müssen. Von dieser eher kommerziell orientierten Seite wurde (huschhusch) darauf beharrt, dass alles seine Richtigkeit hat. Sie haben nicht mal die Videobänder der sechs um das Spielfeld platzierten Kameras schnellgesichtet. Bei etwas gutem Willen hätten sie das in der Zwischenzeit bewerkstelligen konnen.

NNN: Aber hier ist nichts unternommen worden.

NP: Gleich nach dem vorzeitigen Ende des Spiels in der 154. Minute haben wir offiziell Beschwerde und Protest gegen das verfälschende Spielergebnis eingereicht. Wir haben auch in möglichst kurzer Zeit versucht, an die sechs MAZen ranzukommen [= technisch veralteter Terminus fur sogenannte Magnetbandaufzeichnungen, Anm. d. Uebersaezzers], die z. B. das Übertragungsteam von Zapp 1 spater am Abend auszugsweise [ein Spielbericht, stark gekurzt, nur 94 Min. lang, Anm. d. Ubersaezzers] auf Sendung geschickt hat, weil wir doch die starke Befürchtung hatten, dass die entsprechenden Bänder in ihrer Gesamtlänge schnell überspielt werden oder gar mysteriös in dunklen Kanalen entschwunden oder die entsprechenden Spielausschnitte ominöserweise nicht mehr auf den Bandern drauf sind. Aber Lob an Zapp 1. die haben dann doch, um der Wahrheit die Stange halten zu konnen, nichts vertuscht.

NNN: Haben Sie denn dann die sechs MAZen studieren konnen?

NP: Selbstverständlich haben wir das. Man kann es auch an den jeweiligen Rudelbildungenszenen ablesen, die natürlich nach jedem Treffer, egal wie unsehens- bzw. unbejubelnswert das ästhetische Vergnugen auch war - stattfinden: Es steht 12:14. Und nach dem nächsten Angriff stand es dann 13:15. Da ist doch was faul im Staate Dänemark.

NNN: War der besagte, ausserordentlich verschrobene Behilfsdienstete usw. usf. einfach nur zu stur?

NP: Dieser merkwürdig beunleumundbaren Person ist da ja weiter kein Vorwurf zu machen. Die muss sich auf die Anzeigetafel verlassen können, die ja zu diesem Zeitpunkt infolge des Regensturmes streikte. Ausserdem fiel der ihr Handzettel vom vielen Aus-der-Hosentasche-kramen ja regelrecht auseinander, der Bleistift malte nicht mehr richtig, weil vom Regen und vom Hoseninnenschweiss vollkommen überzeichnet. Ausserdem ist der Stralau-Fussball ja heutzutage auch so schnell geworden, da hat so ein Behilfsdiensteter doch gar keine Zeit mehr, seinen verknitterten Fresszettel aus der schweissfeuchten Hosentasche zu bekommen und die TorschützInnen, die ersten und die zweiten AssistgeberInnen, sowie die jeweiligen SpielminutInnen (naturlich auch die dreistelligen), in denen die Tore gefallen sind, drauf korrekt abzuzeichnen.

NNN: Ihr besonders wertvoller Mitspieler Stephan Moskophidis hat nun mit seinem Prachtstreffer gleich zwei Tore erzielt.

NP: Ja, eins fur Elf Weiss und eins fur Team Bunt. Mir bleibt völlig schleierhaft, warum Ihm das im offiziösen Spielbericht nicht zuerkannt wurde. Ausserdem wurde der ja angeblich so miserabel aufspielenden Elf Weiss auch ein völlig korrekt erkämpftes Unentschieden wieder nicht zugestanden. Stattdessen wurde weiter kolportiert, dass sie schon wieder verloren hatten, und die Kreuzberger, aber auch die Stralauer, um korrekt zu bleiben, Boulevard-Presse fiel mal wieder wie die Harpyen
über das schmachvolle Ergebnis her, hat das genussvoll ausgewaidet, obwohl das alles ja gar nicht der Wahrheit entspricht. Es ist eine Schande.

(Das Interview musste von unserem noch immer auf der Halbinsel Stralau weilenden Gastkorrespondenten im Praktikum, Ruefli Waddewiggler, auf ein konsumerables Mass gekuerzt werden, im Original erstreckte es sich uber funfzehneinhalb Zeitungszeiten der NNN. Die der Hinterview zugrundeliegenden Publikation wurde also nachbearbeitet. Da der Sitz der beauftragten Nachrichtenagentur "Der standhafte Torpfosten" aus Gruenden des Globalisierungs-Drucks in Basel, CH, liegt, weicht die Orthographie deutlich vom Duden-Standart ab. Wir bitten das hier in aller Form zu entschuldigen.)

1 Comments:

Blogger Kongo-Otto said...

Ja ist' s die Möglichkeit? Just heute stand folgendes in der Berliner Zeitung...

"Nee, nee, das stimmt"
Nils Lehmann über die Folgen eines Phantomtores

Herr Lehmann, können Sie sich denken, warum wir anrufen?

Phantomtor.

Richtig. Ihrem Klub, der HSG Düsseldorf, wurde beim 25:26 bei der SG Kronau-Östringen ein Gegentor angerechnet, das es gar nicht gab.

Ich hab' die Szene gar nicht so wirklich mitgekriegt. Die Anzeigetafel, die hängt dort ziemlich steil über den Trainerbänken. Man sieht sie relativ schlecht, da müsste man sich immer so den Hals verrenken. Es stand 10:8 für Kronau-Östringen, und dann haben wir den Anschlusstreffer gemacht zum 10:9. Dann hieß es auf einmal, es steht 11:8. Und anstatt das auf 10:9 zu korrigieren, wurde es auf 11:9 korrigiert.

Was haben Sie da gedacht?

Das kam mir ein bisschen komisch vor. Es gab auch einen Timeout, und es gab die erste Diskussion. Aber die Schiedsrichter haben gesagt: Nee, nee, das stimmt, die haben ihre elf Tore geschossen - wie auch immer die elf Tore bei denen auf ihren Zettel kamen.

Sie konnten sie nicht überzeugen?

Kurz danach kam vom Hallensprecher eine Durchsage: Richtiger Spielstand nicht 11:9, sondern 10:9. Der korrigierte das also offiziell von außen, weil alle sich auch einig waren: Es steht 10:9. Daraufhin hat der Schiedsrichter kurioserweise dem Hallensprecher eine Gelbe Karte gegeben.

Haben Sie so etwas je erlebt?

Ich war konfus und wusste nicht wirklich, was das soll. Es gibt ja Gelbe Karten für die Bank, wenn ein Trainer oder Betreuer meckert. Aber eine Gelbe Karte für einen nicht am Spiel Beteiligten habe ich noch nie gesehen.

Haben Sie nicht weiter protestiert?

Unser Sportlicher Leiter Jörg Siegert ist in der Halbzeit nochmal zu den Schiedsrichtern gegangen. Die hatten sich wohl auch mit dem Zeitnehmertisch und dem Sekretär kurzgeschlossen, die die Aufzeichnung der Tore machen müssen. Die haben darauf beharrt, dass es dabei bleibt. Sie haben nicht mal ein Video zu Rate gezogen. Das hätten sie machen können in der Zeit.

Es gab ein Video?

Jaja, jeder Heimverein zeichnet die Spiele auf, und die Kronau-Östringer haben eine sehr aufwändige Aufzeichnung mit Zeitlupen und allem Drum und Dran. Da hätte man sich leicht kundig machen können.

Aber das ist nicht passiert.

Nach dem Spiel haben wir dann den Protest eingereicht. Und wir haben möglichst schnell versucht, das Video zu bekommen, weil wir so ein bisschen Angst hatten, dass das Video vielleicht auf ominöse Weise verschwindet oder die Szene komischerweise nicht mehr drauf ist. Aber Lob an Kronau-Östringen: Die haben sich nicht quer gestellt.

Haben Sie das Video angeschaut?

Ja, und es ist ganz klar. Man hört es auch von der Hallenansage: Es steht 10:8. Und im nächsten Angriff steht's dann 11:9.

Waren die Schiedsrichter zu stur?

Den Schiedsrichtern kann man da keinen Vorwurf machen. Die müssen sich auf den Zeitnehmer verlassen. Das Handballspiel ist so schnell geworden, da hat ein Schiedsrichter keine Zeit mehr, sein Kärtchen jedes Mal rauszuziehen und die Tore und Torschützen alle drauf zu vermerken.

Ihr Spieler Frank Berblinger hat nun mit einem Wurf zwei Tore erzielt.

Ja: Eins für uns und eins für den Gegner. Ich weiß auch nicht, warum ihm das nicht angerechnet wurde.

Interview: Andreas Lesch

12:55 AM  

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